Jugoslawien spreizte fьr mich seine Ufer der Donau, die damals schon begannen, sich in das linke und das rechte zu teilen, und jeder wollte natьrlich recht sein. Es war, als hдtten wir schon lang aufeinander gewartet. Keine kopflose, plцtzliche Liebe, die nach einer Woche schon wieder vergeht, sondern ein tiefes gegenseitiges Verstehen, das keine Worte und Fragen braucht, still wie ein Holzklotz, der ohne Zwang vor sich hin treibt. Die Strцmung spьlte mich ans serbische Ufer, in eine kleine Provinzstadt. Bald hatte ich erste Bekannte. Ein Ungar, mit dem ich Sterlet fing, den zu fischen eigentlich gar nicht erlaubt war, aber sein Bruder war bei der Fischereiaufsicht. Den Fisch brachte ich der Familie, die mich beherbergte, und beobachtete, still in der Ecke sitzend, ihre Reaktion. Sie versuchten sich zu erinnern, wann sie einen solchen Fisch letztmals gesehen hatten. Als die Nachbarn erfuhren, daЯ ich Kьnstler bin, zeigten sie lebhaft Interesse, halfen mir mit den Keilrahmen, brachten mir Цlfarbe als Geschenk, die schon seit Jahren nutzlos bei ihnen herumlag und kauften meine Arbeiten - eher aus Achtung mir gegenьber ьbrigens, denn von Kunst verstanden sie wenig. Mit einem Wort - ich hatte die besten Bedingungen zum Arbeiten. Ein befreundeter Pope fand in mir einen interessanten Gesprдchspartner und lud oft zum Essen ein. Wir tranken Raki und diskutierten ьber Religion und Philosophie. Ich interessierte mich damals fьr die altrussische kanonische Ikone und machte selbst recht viele Arbeiten - keine kanonischen Ikonen natьrlich, eher assoziativ, fast abstrakt. Einmal bat ich ihn, nachdem wir wieder einmal zusammen gegessen und Raki getrunken hatten, einige meiner Arbeiten in seiner orthodoxen Kirche zu weihen. Er war grundsдtzlich ein progressiv denkender Mensch und stimmte also nach einigem Ьberlegen zu. Meine Arbeiten hingen in seiner Kirche den Vorschriften entsprechend zwei Wochen mit der Vorderseite gegen die Wand, er schrieb, wer die Ikone geweiht hatte und setzte sein Siegel darauf. Eine Arbeit nach seiner Wahl lieЯ ich ihm als Geschenk. Von seiner Seite bedurfte es einigen Mutes, denn eigentlich dьrfen nur solche Ikonen geweiht werden, die auch kanonisch sind. Und ich fьhlte mich wie ein richtiger Revolutionдr in der Kunst. Die Flamme des Kriegs zwischen Serbien und Kroatien loderte mit jedem Tag hцher und ich beschloЯ, mich davonzumachen, solange es noch nicht zu spдt war. Praktisch unmittelbar vor Ausbruch des richtigen Kriegs fuhr ich nach Krakau zu meinem alten Freund Lukasz. Diese meine Lieblingsstadt hatte ihre Tore schon lange fьr mich geцffnet. Bei Lukasz wohnte die reizende Monika. Um die beiden nicht zu stцren, wurde ich in der Wohnung ihrer Eltern einquartiert, die bereits seit langem in Schweden wohnten. Die Wohnung lag wenige Schritte vom Rathausplatz. Alle Freunde von Lukasz und mir gingen damals ins Art-Cafй "Krzistofery", einer gemьtlichen Kellerkneipe im Zentrum der Stadt. Monika verdiente sich hinter der Theke etwas hinzu, ich trank ausschlieЯlich Gin Tonic und fьhrte zwanglos Gesprдche. Das Leben brodelte, ich befand mich mitten im Zentrum und lernte jeden Tag neue sympathische Leute kennen. Einmal kam das Gesprдch auf meinen Aufenthalt in Serbien und ich erzдhlte von meinen dortigen Arbeiten, die ich nach Krakau mitgebracht hatte. Wir saЯen in recht groЯer Runde zusammen. Eine sympathische junge Polin zeigte Interesse an meiner Erzдhlung und schlug vor, meine Arbeiten im SchloЯ Pszegorzal auszustellen, sie sei seit kurzem Kuratorin der dortigen Galerie und kцnne die Ausstellung organisieren. Am nдchsten Tag fuhren wir schon zu dem SchloЯ, zehn Kilometer auЯerhalb Krakaus gelegen und wдhrend des Krieges Hauptquartier des Generalgouverneurs Frank. Im Keller war ein Bunker eingerichtet, bestehend aus 9-10 Zimmern, durch schwere, etwa 50 cm dicke Stahltьren voneinander getrennt. Nachdem ich zuvor schon im Lenin-Museum von Lwow unter dem Titel "Defloration" ausgestellt hatte, schien mir dieser Ort fьr meine nдchste Ausstellung ideal geeignet - eine Art Zyklus durch Orte und Lдnder frьherer Diktatoren. Die Galerie gehцrte wie auch das darьberliegende Restaurant dem Kurden Swijad, der die Ausstellung auch sponsorte. Am Tag vor der geplanten Erцffnung brachte ich mit zwei Freunden meine Arbeiten in den Bunker. Nachdem ich die Arbeiten entlang der Wand aufgestellt hatte, versuchte ich, einen Nagel in die Wand zu schlagen. Er krьmmte sich wie auch der folgende. Dann wurde mir die Vergeblichkeit weiterer Versuche bewuЯt. Die Zeit lief uns davon, eine Bohrmaschine war nicht zur Hand und auf der Suche nach einer Lцsung begann ich im SchloЯpark umherzugehen. Auf dem Rьckweg ging ich durch das Restaurant und schaute kurz in den Abstellraum, wo ich einige rote Kдsten mit leeren Coca-Cola-Flaschen, sowie Regale aus vielleicht zwei Meter langen Kiefernbrettern entdeckte. Das war die Lцsung. Wir trugen die Kдsten mit den leeren Flaschen in den Bunker, banden eines der Bretter daran und befestigten daran meine Arbeit. Das klappte eigentlich gut, war aber nicht gerade stabil. Also fьllten wir schlieЯlich die Flaschen mit Wasser. Irgendwas aber fehlte noch. SchlieЯlich steckten wir in die Flaschenhдlse noch Kerzen und machten sie an. Wir standen schweigend, wie verzaubert vor diesem Schauspiel. Dann kamen die Galeristen und Swijad. Niemand sagte auch nur ein einziges Wort. Die Gefьhle, die ьber uns kamen, sind nicht zu beschreiben. Eine Beerdigung? Als wьrden wir zwischen Grabplatten und Kerzen jemanden begraben. Aber wen? Die Multikultur der Coca-Cola vielleicht, den despotischen Ort des Diktators? Oder im Gegenteil mein Werk, die roten Kдsten als Krдnze auf meiner utopischen Jugend und der Bunker als Ort der Vollstreckung des Urteils? Aber das Feuer tat seine Sache - die Kerzen brannten feierlich nieder, das vielfarbige Flackern kroch wie sьЯe Kindertrдume ьber die kalten Betonwдnde des Bunkers. Ein flьchtiger Gedanke soufflierte mir, ein Spieler zu sein. Einen passenden Partner findest du immer. Und Meisterschaft ist durch und durch individuell. Versuche zu spielen. Wenn du ein Spieler bist. Woraufhin uns der Kurde Swijad in sein Restaurant einlud.
Stryskij-Park Paradies Mandala fьr die Oberkommandierenden Rehabilitation Dieser Text auf russisch Zurьck zur Übersicht